Wahn und Wirklichkeit einer Mobilmachung gegen Ebola ohne Ebola

Anmerkungen zum Sterben mit Covid-19 

Der traditionelle Souverän hat die Aufgabe, seine Bevölkerung zu schützen, auf Bedrohungen der Bevölkerung mit verhältnismäßigen „Maßnahmen“ zu reagieren. Verhältnismäßigkeit zielt auf die Objektivierbarkeit des Bedrohungspotentials und die politische Form der Gesellschaft. In Diktaturen ist die Frage der Verhältnismäßigkeit von Vornherein eine andere als in bürgerlichen Demokratien. „Bevölkerung“ ist der jahrzehntelangen internationalen Praxis und Konvention nach nicht die Summe aller Individuen in ihrer Besonderheit und Einzigartigkeit, sondern vor allem eine statistische Größe. Ein Segment der Bevölkerungspolitik ist die Gesundheitspolitik. Sie hat dem herkömmlichen Selbstverständnis des bürgerlichen Souveräns entsprechend zwei Hauptaufgaben: negativ die Abwehr von Gefahren für die „Volksgesundheit“ und positiv deren stetige Optimierung, die ihrerseits gerne an der durchschnittlichen Lebenserwartung der Bevölkerungsmitglieder (an deren Hebung auch andere Segmente beteiligt sind) abgelesen wird. Ein Instrument der Bestandsaufnahme, die anzeigt, ob und wo es bevölkerungspolitischen Handlungsbedarf (für neue Gesetze, Strukturprogramme etc.) gibt, ist die jährlich erstellte Todesursachenstatistik, die jeden von Ärzten ausgestellten Totenschein jedes im betreffenden Jahr gestorbenen Bürgers hinsichtlich der vermerkten Todesursache „verarbeitet“. Todesursache ist im Fall von Erkrankungen, des Sterbens AN oder WEGEN Krankheit, die Hauptkrankheit, nicht: Nebenerkrankungen, nicht Komplikationen, und auch nicht Infektionen mit für sich harmlosen Bakterien oder Viren, die den Tod des Erkrankten zu diesem Zeitpunkt möglicherweise konkret ausgelöst haben könnten, MIT denen oder allenfalls DURCH die der Erkrankte stirbt.
Die krasseste Ausprägung von EBOLA „tötet“ (hier stimmt des Wort) jeden Infizierten (unabhängig von Alter oder dem Vorhandensein bestimmter, schwerer Vorerkrankungen) mit einer Wahrscheinlichkeit von 90%. Nach dem Wüten von Ebola wird das Durchschnittsalter der Gestorbenen also identisch sein mit dem Durchschnittsalter der Bevölkerung und damit weit unter der durchschnittlichen Lebenserwartung liegen. Da die Wahrscheinlichkeit, Ebola zu überleben, bei nur 10% liegt und Überlebende anschließend nicht immun sind, würde es die Bevölkerung sukzessive dezimieren, wenn man der Ausbreitung von Ebola nicht mit Schutzmaßnahmen Einhalt gebieten würde. Ebola ist damit evident eine „Bedrohung der Bevölkerung“ – und zwar in einem Ausmaß, das es als verhältnismäßig erscheinen lassen könnte, zügig und ohne Rücksprache administrative Anordnungen von oben zu treffen und repressiv durchzusetzen, also bis zur Abwendung der Gefahr massiv in die Bürgerrechte der Infizierten (quarantänisierende Zwangsisolation) und aller anderen (polizei-militärische Durchsetzung der Ausgangssperre) einzugreifen, obwohl – und das ist auch wichtig – niemand etwas verbrochen hat. Eine Situation, die man fürchten sollte, die aber zum Wunschtraum eines eitlen Virologen gehört, weil der Gedanke reizt, an der Seite des Souveräns mit klugen Ratschlägen den Fortbestand der Bevölkerung (gar Menschheit) zu sichern, was auch Regierung und Medien sich an sich selbst berauschen ließe.
Ein Grippevirus (ob sich wandelnde Influenza- oder CORONA-Viren eines Typs wie COVID-19) ist eigentlich langweilig, weil es nicht „tötet“. Bei einer für Erste-Welt-Länder durchschnittlichen Gesundheitsversorgung gibt es mit einer Wahrscheinlichkeit von 5-11% (je nach Höhe des hohen Alters und/oder der Intensität bzw. Anzahl bestimmter schwerer Vorerkrankungen) den Zugehörigen einer Risikogruppe den Rest. Kein einziger „im Zusammenhang mit Corona“ Gestorbener wird in der Todesursachenstatistik auftauchen (so wenig wie Influenza-Infizierte). Registriert werden sie hinsichtlich der im Totenschein vermerkten Hauptkrankheit. Am Ende einer „Corona-Welle“ – deren Verlauf man normalerweise (im Fall der Grippe) mit Blick auf den Verbreitungsgrad der Infektion sowie auf die Anzahl mit der Infektion Gestorbener nicht als Bodycount live und in Farbe tagtäglich auf Seite 1 verfolgen würde (was ein obszönes Spektakel ist) – könnte man sehen, ob es überhaupt eine „corona-assoziierte Übersterblichkeit“ gegeben hat, und falls ja, ob sie sich signifikant von einer mittleren „influenza-assoziierten Übersterblichkeit“ unterscheidet.
In der Geschichte Deutschlands wie Italiens sind 20.000 in dieser Hinsicht während einer Grippewelle Gestorbene ein hoher, aber nicht ungewöhnlicher Wert. Statistisch spielt es keine Rolle, wie viele der Gesamttoten der jeweiligen Welle an einem Tag und konzentriert an einem Ort gestorben sind, so dramatisch so ein Tag oder mehrere davon für die Beteiligten auch sind, ob von solchen Katastrophentagen live berichtet wird, um eine Stimmung anzuheizen, oder nicht. Es wären möglicherweise sogar weniger Menschen und diese auf mehrere Tage verteilt gestorben, wenn man nicht – es selbstverständlich gut und lebensrettend meinend – eine übermotivierte „Jagd“ auf Alte und Kranke (mit positivem Corona-Befund) veranstaltet hätte, um mit ihnen – teils gegen ihren Willen – diese konzentrierend und quarantänisierend entsprechende Krankenhäuser und deren Flure vollzustopfen, wo sie dann von hektischen und ob des Sterbens verzweifelnden Helfern in Schutzanzügen panisch hin- und hergeschoben schon allein deshalb verreckt sind, weil das sie umgebende Grauen nicht gerade der Stärkung des Überlebenswillens zuträglich ist, den es zur Rettung eben auch braucht.
Eine Virus-Erkrankung bringt (wenn es ansteckend ist) immer auch die sachlich gegebene Tragik mit sich, dass das Opfer zum potentiellen Täter, zu einer Gefahr für andere stigmatisiert und entsprechend behandelt wird (Isolation, Kontaktreduktion und natürlich auch die erhebliche Störung bzw. Berührungsfilterung der verbliebenen tröstenden und Zuversicht spendenden Körper- und Blickkontakte durch Schutzhandschuhe und Gesichtsmaskierung). Die unverhältnismäßige Dramatisierung eines Virus verschlechtert die Behandlung derjenigen, um deren Schutz es angeblich geht, unnötig und kann die beabsichtigte Lebensrettung gerade auch unterlaufen. Deshalb ist die vorsichtige Nachfrage, wer von der Sonderbehandlung corona-infizierter gegenüber influenza-infizierten Menschen sowohl im Großen als auch im individuellen Kleinen eigentlich profitieren soll, nicht von der Hand zu weisen, auch wenn kaum einer wagt, sie zu stellen: angesichts von Bildern, die Leichensäcke, Panzer und Krematorien zeigen, die zwecks Betroffenheitskitsch und Panikmache sensationslüstern verbreitet wurden, obwohl allein und gerade Diskretion angesagt und empathisch gewesen wäre.
Jedenfalls hat sich seit und infolge von „Italienbildern“ und Merkel’scher Eskalationen „sozialer Distanzierungen“ (17. März) die Lebensqualität von Alten und Kranken in deutschen Krankenhäusern und Alters- wie Pflegeheimen nicht verbessert, ist das Sterben an Krankheit im Allgemeinen nicht weniger schlimm geworden, wurde die Lebensqualität und statistische Überlebenswahrscheinlichkeit für Zugehörige der Corona-Risikogruppe auch außerhalb öffentlicher und semistaatlicher Obhut keinen Deut gesteigert. Eher im Gegenteil.
Davon unabhängig ist Influenza oder Covid-19 in keinem Fall eine „Bedrohung der Bevölkerung“. Es gibt Immunität nach Genesung (zumindest bisher keinen Hinweis aufs Gegenteil), aber wichtiger (weil es zur Logik konventioneller Gesundheitspolitik gehört): Das Durchschnittsalter der „im Zusammenhang mit (nicht: an) Corona Gestorbenen“ liegt in Deutschland wie Italien (mit über 80 Jahren) ein paar Jährchen sogar über (und nicht: drastisch unter) der jeweils durchschnittlichen Lebenserwartung, senkt diese also nicht. Bei 50% der in Italien im Zusammenhang mit Corona (durchschnittlich 81jährig) Gestorbenen lagen zur Hälfte eine und zur Hälfte zwei schwere Vorerkrankungen vor, 50% hatten drei oder mehr. Noch im September 2019 veröffentlichte das Robert Koch-Institut die Zahl von 25.100 „Grippetoten“ (im strengen Sinne der Übersterblichkeit) für den Winter 2017/18, für die ähnliche Durchschnittszahlen gelten. Im November verkündete dasselbe Institut ein Studienergebnis, nach dem in Deutschland jährlich schätzungsweise bis zu 20.000 Menschen durch Krankenhauskeime sterben, ohne dass solche Informationen über unschöne Realitäten eine mittlere gesellschaftliche Verschnupfung darüber bewirkt hätten, dass eine sukzessive Dezimierung der Bevölkerung drohe, wenn schon das Aufsuchen eines Krankenhauses eine viel höhere Letalitätsrate mit sich bringt als milde Influenza- und Coronawellen zusammen.
Selbst wenn also irgendeine positive Zahl darauf hindeuten würde, dass die (von den europäischen Regierungen ursprünglich geplante) ungebremste Durchseuchung der Bevölkerungen mit Corona zwischen März und Oktober 2020 in Deutschland zu 25.000 „Corona-Toten“ (im Sinne der Übersterblichkeit) geführt hätte – und dafür sprach am 17. März rein gar nichts –, wäre das noch lange kein sich aus sich selbst heraus erklärender Grund (gar Legitimität) für einen mehr oder minder radikalen Lockdown gewesen. Es gibt bevölkerungs- und gesundheitspolitisch schlicht und ergreifend keinen evidenten Zwang, zum „Schutz der Bevölkerung“ in den „natürlichen“ Verlauf der Corona-Welle überhaupt einzugreifen (nicht über das hinaus, was bei der Grippe ohnehin zum Tragen kommt, die man ja auch nicht einfach gewähren lässt, sondern mit einem „ärztlichen“ Monitoring und Empfehlungen begleitet), weil COVID-19 „die Bevölkerung“ nicht im Geringsten bedroht.
Ob man erstmalig in der Geschichte zum tatsächlichen oder vorgeschobenen Schutz einer Risikogruppe (bei der es auch keinen Automatismus zwischen Infektion und Tod gibt) in eine Grippe-Welle intervenieren sollte und wie, hätte also unaufgeregt und ohne Zeitdruck gesellschaftlich diskutiert werden können, ginge es dabei um so etwas wie eine Humanisierung der traditionellen Gesundheits- und Bevölkerungspolitik im Namen der Einzelnen sowie eine Renovierung des Gesundheitssystems. Ebenso wäre einer gewissenhaften Prüfung zu unterziehen gewesen, welche Maßnahmen (die in Form von Risiken und Nebenwirkungen eben immer auch negative Effekte für die „Volksgesundheit“ und/oder „das Wirtschaftsleben“ sowie die Individuen haben könnten) in einem angemessenen Verhältnis zur „Bedrohungslage“ – in dem Fall eigentlich eher und bestenfalls: bezweckten Optimierung – stehen würden.
Ohne Zweifel ist die jetzt zu erlebende Realinszenierung einer Ebola-Bekämpfung ohne Ebola ein ausagierter hysterischer Wahn globalen Ausmaßes mit politischen Konsequenzen, die von einer verängstigten Herde erstaunlich widerstandslos akzeptiert oder gar begrüßt werden: betreffen diese die akute Einschränkung individueller Freiheitsrechte oder auch die künftigen Formen des Zusammenlebens.
(27.3.2020, von Mitgliedern der Gruppe Z vor Gründung verfasst)

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